Höhle der Sibylle

Als Sitz einer Sibylle war Cumae in der Antike einer der bekanntesten Orakelorte. Von hier stammten auch die sogenannten Sibyllinischen Bücher, die von den Römern zumeist in Krisenzeiten zu Rate gezogen wurden.

Schon der römische Dichter Vergil bezeichnete in seiner Aeneis die Höhle der Sibylle als „Tore der Hölle“ und als „Höhle mit 100 Öffnungen“. Der etwa 5 Meter hohe und 130 Meter lange, trapezförmige Gang galt in der Antike als Portal zur Unterwelt und wurde wohl im 6. Jahrhundert v. Chr. von den Etruskern in einen Felsen südlich von Cumae getrieben. Er besaß mehrere Querarme mit Zisternen und Belüftungsöffnungen, die in christlicher Zeit auch für Bestattungen genutzt wurden. Die Kammer am Ende des Ganges hatte drei kleine Nebenräume, die als Orakelräume interpretiert werden können.

Die Sibylle von Cumae, eine von insgesamt 10 antiken Sibyllen mit dem Namen Amaltheia, lebte als Priesterin und Prophetin in einer Höhle, die als Eingang zur Unterwelt galt. Der Legende nach verliebte sich der Gott Apollo in die jugendliche Sibylle und gewährte ihr eine Bitte, woraufhin sie sich so viele Lebensjahre wünschte, wie Sandkörner in einem Häufchen Sand waren. Er bot ihr an, ihr auch noch den Erhalt ihrer Jugend zu gewähren im Tausch für ihre Jungfräulichkeit, was sie aber ablehnte. Im Laufe der Jahrhunderte wurde ihr Körper daher alt und verschrumpelt, bis nur noch ihre Stimme blieb, die als Orakel angerufen wurde.

Auch in der Mythologie der Stadt Rom gab es zwei Ereignisse, bei denen die Sibylle von Cumae eine wichtige Rolle spielte. Nach einer Legende des Dionysius von Halicarnassus traf einst der letzte König Roms, Lucius Tarquinius Superbus, um 500 v. Chr. auf eine alte Frau, die ihm 9 Bücher mit Prophezeiungen zum Kauf anbot. Als er wegen des horrenden Preises hochmütig ablehnte, verbrannte sie 3 der Bücher. Erneut bot sie ihm die restlichen 6 Bücher zum gleichen Preis an. Er lehnte wieder ab und sie verbrannte 3 weitere Bücher. Nun verging dem König das Lachen und er kaufte nun die 3 restlichen Bücher zum vollen Preis. Als die „Sibyllinischen Bücher“ wurden diese zu den wichtigsten Quellen des Wissens und Ratgebern in Krisenzeiten und wurden im Jupitertempel auf dem Kapitol in Rom verwahrt. Sie gingen jedoch im Jahr 83 v. Chr. bei einem Brand verloren.

Die zweite Legende erzählt davon, dass der trojanische Held Aeneas nach seiner Ankunft in Italien in Cumae auf die zu dieser Zeit bereits 700 Jahre alte Sibylle traf. Sie führte ihn durch die Höhlen der Unterwelt, wo er seinen toten Vater Anchises traf. Dieser zeigt ihm die Zukunft, in der sein Nachkomme Romulus eine Stadt mit einer großen Bedeutung gründen werde.

Die Grotte wurde erst 1932 vom bekannten Archäologen Amadeo Maiuri entdeckt, der als Direktor des Archäologischen Nationalmuseums und Ausgrabungsleiter der Ausgrabungen von Pompeji und Herculaneum auch an den Ausgrabungen von Paestum beteiligt war.

Die Höhle der Sibylle ist Teil des Archäologischen Parks von Cuma und ist täglich außer dienstags geöffnet.

Lage: Antro della Sibilla, Strada Provinciale Cuma Licola 3, 80078 Pozzuoli